Trinkwasserhygiene und Klimaschutz

Zusammenhang

82 Millionen Bundesbürger erwarten einwandfreie Trinkwasserversorgung rund um die Uhr in bester Qualität ohne Komforteinbuße. Die Bundesregierung setzt auf die regenerative Energie- und Wärmeversorgung mit Wärmepumpen. Immobilienunternehmen, Planer, Ausführende und nicht zuletzt die Überwachungsbehörden stehen vor gewaltigen Anforderungen an die Umsetzung der Erwartungen und Ziele.

Die Erfahrung zeigt, dass die Dimension der o.g. Anforderungen den gewöhnlichen Wissens- und Erfahrungshorizont von Investoren, Planern, Ausführenden, Betreibern sowie Überwachungsbehörden übersteigt.

Daher hat sich eine Gruppe von Interessierten aus verschiedenen Fachdisziplinen für einen regelmäßigen, onlinegestützten Wissensaustausch zusammengefunden.

AG TriWaExpert

Das ikpb (gemeinnütziges Institut für kybernetisches Planen und Bauen eV.) konstituierte in 2020 die Arbeitsgruppe „TriWaExpert“ und unterstützt sie seitdem durch Bereitstellung von Ressourcen und Heranführung von Know-how aus den Fachgebieten der Trinkwasserhygiene, Energiesysteme und Architektur.

Um die komplexen Zusammenhänge innerhalb der AG „auf Augenhöhe“ kommunizieren zu können, werden sie schrittweise mit der Methode der Ursache- / Wirkungsmodellierung von Consideo (iMODELER) aufgearbeitet.

Anhand des sich ständig erweiternden Modells werden Optionen, Chancen und Risiken im Kontext von sicherer Trinkwasserhygiene, regenerativer Energieversorgung sowie wirtschaftlicher Umsetzung im Immobilienbestand untersucht. Darauf aufbauend werden Vorschläge im Stand der Technik erarbeitet als Grundlage für Empfehlungen und Richtlinien von Überwachungsbehörden.

Im Zeitraum von März 2021 bis Oktober 2022 wurden 30 Online – Workshops durchgeführt.

Arbeitsergebnisse

Die Vertreter der Überwachungsbehörden der Bundeslänger Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen stimmen sich auf Grundlage des hinzugewonnenen Fachwissens über länderbezogene Regularien ab. Ziel ist es Investoren, Planern und Ausführenden eine gesicherte Entscheidungsbasis in momentan andauernden schwierigen Übergangsphase zu bieten und über behördliche Fachgremien für eine breite Anerkennung auch bei kommunalen Einrichtungen zu sorgen.

  • bis 12.2022
    Revision des Modells anhand aktueller Informationen zu den Themen Trinkwasserhygiene, Reg. Energieversorgung und Umsetzung im Immobilienbestand.
  • 2022 (AG-intern)
    Diskussion und Vorbereitung eines Arbeitspapiers: „Energienotstand Gasversorgung – Hochleistungskommunikation im Notfallmodus. Maßnahmen im Präventionsmodus“.
  • 2022 (AG-intern)
    Vorbereitung eines Arbeitspapiers: „Energieeffizienz & CO2-Reduktion – Informationen für Überwachungsbehörden“.
  • 2022 (AG-intern)
    Arbeitspapier für Überwachungsbehörden: „Ergänzende Empfehlung für Probennahme und Bewertung von Legionellen in der systemischen Trinkwasserinstallation“
  • 2021 (AG-intern)
    Zusammenfassung von 16 Workshops:  „Ergebnisse einer Ursache-Wirkungsmodellierung zur Entwicklung einer Richtlinie für hygienisch sicheres Trinkwasser vor dem Hintergrund des Klimawandels und dem Ausbau der erneuerbaren Energien“.
  • 2021 (AG-intern)
    Konsolidiertes und gewichtetes Arbeitsmodell zur Identifizierung strategischer Ansatzpunkte für sichere Trinkwasserhygiene, reg. Energieversorgung und Umsetzung zu moderaten Kosten.
  • 2021 (AG-intern)
    Konsolidiertes Arbeitsmodell über Erfahrungen im Umgang mit auffälligen Liegenschaften seit Umstellung des Legionellen – Analyseverfahrens ab 03.2019 bis Mitte 2021.
  • 2021 (Kick-Off)
  • 2020 (AG TriWaExpert konstituierend aus TriWaCor)

Fachlicher Hintergrund

Trinkwasserhygiene

Die Trinkwassergewinnung und -verteilung erfolgt über weit verzweigte Leitungsnetze, die bis in die entfernteste Stelle von Immobilien reichen.

Die Leitungsnetze sind anfällig für mikrobielle Verunreinigungen, die Gefahren für die menschliche Gesundheit darstellen können. Ursache hierfür sind komplexe chemische und biologische Prozesse innerhalb von Versorgungsleitungen.

Eine Vielzahl gesetzlicher und normativer Regelungen verfolgt das Ziel der Bereitstellung von einwandfreiem Trinkwasser für die Bevölkerung. Die Stelle der Einhaltung gesetzlicher Mindestanforderungen sind Entnahmestellen z.B. an Küchenspülen, Waschtischen oder Duschen, aber auch jede andere Austrittstelle aus Versorgungsnetzen, die der Nutzung dienen.

Trinkwasser muss über die gesamte Leitungsstreckte vor Verunreinigungen und Verkeimungen geschützt werden. Zuständig hierfür sind öffentliche Versorgungsunternehmen sowie private Betreiber von trinkwasserführenden Leitungsnetzen (bspw. Gebäudeeigentümer).

Der gesetzliche Auftrag zur Überwachung der Trinkwasserversorgung obliegt kommunalen Behörden. In der Regel kontrollieren spezielle Abteilungen der Gesundheitsämter die einzuhaltenden Untersuchungen, die von Betreiber von Trinkwasserinstallationen zu veranlassen sind.

Als besondere Gefahr in modernen Versorgungsnetzen hat sich das Bakterium „Legionella species“ herausgestellt. Es handelt sich um einen Umweltkeim, der in allen Grund- und Oberflächenwässern existiert und sich auch über die Leitungswege verbreitet. Unter günstigen Wachstumsbedingungen kann sich dieser Keim, wie jedes Bakterium, stark vermehren und schwerwiegende gesundheitliche Gefahren auslösen (Legionellose).

Als wichtigstes Mittel gegen die Entstehung von Legionellen werden Temperaturen gesehen. Im Temperaturbereich zwischen 25°C bis 55°C spielen sich exponentiell verlaufende Vermehrungsprozesse von Legionellen ab. Daher sehen Regelwerke Temperaturgrenzen von maximal 25°C für Kaltwasser und mindestens 55°C für Warmwasser vor.

Der Temperaturbereich von 35 – 45°C gilt als besonders gefährlich, weil sich Legionellen unter den Bedingungen besonders stark vermehren können.

Regenerative Energieversorgung

Um 55°C im Trinkwarmwasser sicherzustellen, müssen heizungsseitig rund 8 – 10°C höhere Temperaturen erzeugt werden. Das gelingt mit Wärmeerzeugern problemlos, die auf Verbrennungsprozessen beruhen (Öl-, Gas-, Pelletheizungen).

Eine Heizwärmeanforderung von >63°C steht der regenerativer Wärmeversorgung entgegen, denn deren Wirtschaftlichkeit schwindet aus technisch-physikalischen Gründen mit zunehmenden Temperaturanforderungen oberhalb von 50°C. Das gilt in besonderem Maße bei Wärmepumpen, die niedrig temperierte Umweltenergie (Luft, Wasser, Boden) nutzen, um nutzbare Wärme zu erzeugen.

Noch in diesem Jahrzehnt sollen lt. BMWI in Deutschland rd. 5 – 6 Millionen Wärmepumpen in Betrieb gehen. Der Erfolg der geplanten Umstellung der Wärmeversorgung hängt von einwandfreien mikrobiellen Verhältnissen in trinkwasserführenden Versorgungsnetzen ab.

Umsetzung von Zielen im Immobilienbestand

Erfahrungen nach Verschärfung der mikrobiellen Überwachungspflichten im Jahre 2011 zeigen, dass Legionellenverkeimungen auch lange nach einer Fertigstellung einer Immobilie auftreten und zu immensen Kosten für die Beseitigung führen können.

Seit einer Umstellung des mikrobiellen Analyseverfahrens für Legionellen im Jahr 2019 ist eine deutlich zunehmende Zahl von auffälligen Trinkwasserinstallationen zu verzeichnen. Die neue Trinkwasserverordnung verspricht ab 2023 eine weitere Verschärfung durch Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie.

Der Komplexitätszuwachs durch immer speziellere Anforderungen an die Trinkwasserhygiene und Energieversorgung bringt für den Betrieb von Immobilien nochmals erhebliche Risiken mit sich, die kaum noch zu überschauen sind.

Aktuell wird das Geschehen durch drastische Veränderungen der Energieversorgung infolge des Ukrainekrieges geprägt. Die Akteure (Investoren, Planer, Ausführende und Betreiber) müssen weitreichende Entscheidungen treffen, für die es nicht nur ein Mangel an Wissen und Erfahrungen, sondern auch an geeigneten Regelwerken und gesetzlichen Grundlagen gibt.

In dieser Situation benötigen die Akteure, zu denen auch die Überwachungsbehörden zählen, brauchbare Regularien im Stand der Technik, um ihre Aufgaben auf einer wirtschaftlich und haftungsrechtlich tragfähigen Basis erfüllen zu können.